Monate: Januar 2022

Newsletter Januar 2022: Zen Zentrum Offener Kreis in Luzern

„Was hast du dir für das neue Jahr vorgenommen?“ wurde ich am 1. Januar gefragt. Spontan erinnerte ich mich an die vier großen Gelöbnisse, die immer am Anfang und am Ende eines Tages im Sesshin oder Zazenkai rezitiert werden und die ich täglich nach dem Zazen spreche:

Die Zahl der Lebewesen ist grenzenlos, entschlossen gelobe ich in Einheit mit ihnen zu leben.
Wahrnehmung, Gefühle und Gedanken entstehen unaufhörlich, entschlossen gelobe ich sie zu durchdringen.

Die Ordnung des Kosmos ist allumfassend, entschlossen gelobe ich in Einklang mit ihr zu leben. Der Weg des Erwachens ist immerwährend, entschlossen gelobe ich ihn zu verkörpern.“

Gleichen die Gelöbnisse guten Neujahrsvorsätzen, die schnell auch wieder der Gewohnheit untergeordnet und vergessen werden?

Im Zen ist ein Gelöbnis eine Bekräftigung der aufrichtigen Absicht, etwas umzusetzen, zu verwirklichen, zu verkörpern. Es ist die innere Ausrichtung und der Wegweiser an den vielen Kreuzungen des Alltags. Im wiederholten Rezitieren verbinden wir uns mit dem Geistesstrom dieser alten und in ihrem Wesen so zeitlosen Gelöbnisse und aktualisieren kontinuierlich ihre Ausrichtung in uns. Doch reicht die Absicht alleine nicht aus. Sie bleibt eine Vision voller Potentialität, fehlt ihr die Entschlossenheit.

Der Zen-Meister Bernie Glassman beschreibt in seinem Buch „Anweisungen für den Koch“ beispielhaft, dass die Absicht eine ähnliche Funktion hat wie die Hefe, eine wesentliche Zutat, um Brot zu backen. Es braucht jedoch weitere Zutaten wie Mehl und Wasser, es braucht das Zusammenkneten und das Feuer, damit ein nährendes Brot aus dem Ofen kommt. Das entspricht der Entschlossenheit.

Die Entschlossenheit ihrerseits verlangt den klaren Blick für die Rezeptur und das Gespür für das, was zu tun ist. In der regelmäßigen Übung des Zazen klärt sich, was schon klar vor uns liegt und getan werden will. Denn die Lebenswirklichkeit zeigt sich heute mit herausfordernden Zutaten, die Pandemie, die Migrationskrise und der Klimawandel gehören dazu, die uns so eindringlich an die Einheit allen Lebens erinnern. Sie wollen weise, mutig und tapfer gehandhabt werden.

Mit Entschlossenheit unsere Zutaten hineingeben, nicht mehr und nicht weniger, macht unser Leben zu einem nahrhaften Brot. Das wünsche ich uns für dieses noch junge Jahr: In jedem Moment die nötige Prise Entschlossenheit!

Gabriele Geiger-Stappel

Zen Lehrerin