„Das verborgene Licht“ leuchtet! Heute, an diesem grau verhangenen Januarmorgen 2025, kann ich die Sonne hinter einem dichten Nebelmantel nur erahnen. Wird sie noch hervorbrechen?
Wie die Sonne an diesem Wintertag, so waren Frauen durch die Jahrtausende bis heute in sämtlichen großen Religionen und gesellschaftlichen Institutionen der Welt zwar anwesend und wirkungsvoll, doch großenteils im Verborgenen. Mehr noch, sie gerieten vielfach in Vergessenheit.
So auch im Zen. Von Anfang an entwickelten Frauen – allen voran Mahapajapati, die mütterliche Tante von Shakyamuni Buddha – eine unbeugsame Entschlossenheit, geschickte Klugheit und radikale Hingabe, um in einer spirituellen Gemeinschaft praktizieren zu können, die für Frauen grundsätzlich nicht offen war. Ihr Beitrag wurde immer wieder im Nebel von diskriminierenden Stereotypen und kultureller Marginalisierung verschleiert. Dadurch wurde der direkte Zugang zum kraftvollen Strom ihrer Weisheit blockiert. Es entstand der Eindruck und dies wurde auch sprachlich zum Konsens, dass das Zen der Patriarchen alles umfassend ist und nicht der Bereicherung durch die unterschiedlichen Erfahrungen und Erkenntnisse von Frauen bedarf, um die Tradition zu einer Ganzheit zu führen.
Doch die Ahninnen schlafen nicht und der weibliche Archetyp meldet sich im Unbewussten der Frauen und auch bei Männern, die ahnend spüren, dass es da noch etwas gibt, geben muss.
So begannen in unserer Zeit Frauen im Zen, die das Fehlende in ihrem Herzen schmerzlich vermissten, zu suchen, zu forschen, die Bruchstücke zusammen zu fügen und mit Leben zu füllen. Und in der Tat, in den Spuren der Ahninnen, den Fragmenten ihrer Geschichten, in der Verkörperung ihres Erwachens erstrahlt die Wirklichkeit in ihrer vielfältigen Farbenpracht.
Im Zenzentrum Offener Kreis entwickelte Anna Gamma Roshi, inspiriert von Vanja Palmers Roshi ein Chart, in dem sich männliche und weibliche Ahnenreihe ergänzen und die Ganzheit des Lebens widerspiegelt.
Das 2016 auf deutsch erschienene Buch „Das verborgene Licht“, herausgegeben von den amerikanischen Zen Frauen Florence Caplow und Susan Moon, ist ein inspirierender Schatz, der 100 Geschichten erwachter Frauen aus 2500 Jahren enthält, verbunden mit kostbaren persönlichen Betrachtungen von Zen Frauen unserer Zeit. Wenn wir uns diesen Schatz zu eigen machen, empfangen wir ein Lebenselexier, das unser Herz weitet, durch Mark und Bein dringt, uns vitalisiert und aufweckt. Dabei erfahren wir, dass unser konkretes Leben als Frauen, mit seinen vielfältigen Herausforderungen, Krisen und Privilegien, ungetrennt und durchdrungen ist vom Weisheitsstrom der Ahninnen. Auch Männer haben inzwischen das Weisheitsbuch der Zen Ahninnen für sich entdeckt. Denn Leben lebt von Leben und wir leben es immer gemeinsam.
Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel, Zenlehrerin (Veröffentl. Newsletter ZZOK Luzern)
Dharma Studium – „Das verborgene Licht“
Wir lassen uns inspirieren von der Weisheit unserer Zen Ahninnen durch die Jahrtausende bis zu den Frauen, die heute den Weg des Erwachens verkörpern.
Online-Angebot an 5 Abenden mit abschließendem Zazenkai vor Ort
Leitung: Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel, Zen-Lehrerin
Termine online:
12.02. / 12.03. / 09.04. / 07.05. / 04.06. 2025 jeweils 19.00 – 20.30 Uhr
Termin vor Ort: (Zenzentrum Offener Kreis Luzern)
Zazenkai 28.06. 2025, 10.00 – 16.00 Uhr
Anmeldung: www.zenzentrum-offenerkreis.ch
Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 4. Januar 2025
Heute – am 8. Dezember – feiern die Zen-Buddhistische Tradition und viele Sanghas nach dem einwöchigen Rohatsu-Sesshin rund um den Globus das Fest des Erwachens von Siddhartha Gautama beim Aufgang des Morgensterns. Was er erfahren hat wird u.a. in folgende Worte gefasst:
„Wunder über Wunder, ihrem innersten Wesen nach sind alle Wesen Buddhas (Erleuchtete), begabt mit Weisheit und Vollkommenheit.
Da aber ihr Geist von verblendeter Unwissenheit verkehrt ist, können sie dessen nicht inne werden.“
Als Shakyamuni Buddha bekannt – der schweigende Weise aus dem Geschlecht der Shakyas – wurde er in seinem Leben nicht müde, den Samen des Erwachens in den Menschen zu wecken. Zen knüpft an diese ursprüngliche Erfahrung Buddhas an. Erwachen führt in die radikale Öffnung für den Augenblick und verankert uns kraftvoll im „Jetzt“.
Herzlich grüßt mit Gassho,
Gabriele Shinmyo
Kurse 1.Halbjahr 2025:
Das verborgene Licht“: Wir lassen uns inspirieren von der Weisheit unserer Zen Ahninnen durch die Jahrtausende bis zu den Frauen, die heute den Weg des Erwachens verkörpern.
Online-Angebot an 5 Abenden (12.02./12.03./09.04./04.06. von 19.00 – 20.30 Uhr) mit abschließendem Zazenkai im ZZOK Luzern (28.06. von 10.00-16.00 Uhr).
Anm.: www.zenzentrum-offenerkreis.ch Leitung: Gabriele Shinmyo
Kientaler Hof, Kiental CH: ZEN Sesshin 16.-21.02. 2025
ZEN Einführung 15.-16.02.2025 Anm.: www.kientalerhof.ch
„Waldhof-Freiburg DE: ZEN Sesshin 01.03.-05.03. 2025
ZEN Einführung 28.02.-01.03. 2025 Anm.: www.waldhof-freiburg.de
Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 8. Dezember 2024
Zähmen heißt, sich vertraut machen
In den ersten Herbsttagen durften wir uns an der Ostsee erholen und ich genoss die Spaziergänge am Übergang von rhythmischem Fließen des Meerwassers und weichem Sand des Festlands. An einem Abend trieb stürmischer Wind hohe Wellen mit weißen Gischtkronen an den Strand. Im Abendlicht glitten zwei Kitesurfer auf ihren Brettern über die Wellen im rasanten Tempo des mitreißenden Luftstroms in den prallgefüllten Gleitschirmen. Die ungestüme Kraft von Luft und Wasser, eingespannt zwischen Brett und Schirm, gezähmt durch das straff gehaltene Seil, erlaubte den geübten Surfern einen lustvoll wilden Tanz.
Spontan sehe ich vor meinem inneren Auge eine Zeichnung der Zehn Ochsenbilder, die auf den Bild- und Textzyklus aus dem 12 Jhdt. des chinesischen Zen-Meisters Kuoan Shiyuan zurückgehen und unvergleichbar den Weg der Selbstfindung im Zen, dem Erwachen aus der Illusion des Getrenntseins und seiner Verkörperung im Alltag illustrieren.
Im 4. Bild erscheint das Einfangen und Zähmen der wilden Kraft des Ochsen, der das eigentliche, tiefe Selbst symbolisiert. Seine enorme Zugkraft erlaubt dem Hirten, dem Menschen schlechthin, kein Zögern und Zaudern beim Halten und Lenken des straff gespannten Seils. Wie ist diese Kraft zu zähmen, was heißt zähmen und wer zähmt wen? Ich erinnere mich an den Fuchs, der dem kleinen Prinzen in der gleichnamigen Geschichte von Saint-Exupery auf diese Frage antwortet: „Zähmen heißt, sich vertraut machen“. Das geschieht nicht von heute auf morgen, nicht nebenher. Es geschieht allmählich, wenn ich zuverlässig und aufmerksam da bin, nicht nachlasse und achtsam verweile und mich bedingungslos einlasse auf eine tiefe Selbstbegegnung und ihre verwandelnde Kraft. So erlebe ich Zazen: In der Ausdauer und Treue zur Übung allmählich innig vertraut werden mit der Wesensnatur.
Seit 9 Jahren lädt das Zen Zentrum Offener Kreis ein, dieses Vertrautmachen in einem Raum konzentrierender Stille einzuüben. Und davor stand das Meditationszentrum im Romerohaus schon 9 Jahre dafür offen. Im kleinen Kreis haben wir diese zuverlässige und treue Offenheit für Menschen, die sich nach dem Erwachen sehnen, in einer schlichten Feier würdigen dürfen.
Großen Dank der Gründerin, Dir Anna Gamma und dem Gründer, Dir Gerhard Hüppi.
Gabriele Geiger-Stappel, sensei – Newsletter Okt.24 Zenzentrum Offener Kreis Luzern
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Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 27. November 2024
Liebe Freunde und Freundinnen unseres Zendos, liebe Mitmeditierende!
Gabriele und Bernhard – wir beide sind vom 8.-22. September 2024 in den ersehnten Erholungsurlaub gefahren. Die Abendmeditationen während dieser zwei Wochen müssen leider ausfallen. Wir beginnen wieder am Dienstag, 24.9.24 wie gewohnt um 18.30 Uhr
und freuen uns auf Euer Kommen.
Gabriele und Bernhard

„Nur leben, nur sterben – inmitten von weder Leben noch Tod“
Manchmal walke ich morgens durch den nahe gelegenen Park. Die Spazierwege sind kleine Alleen, gesäumt von Bäumen der Zierkirsche und gerade verzaubert von einem weiß-rosa Blütenrausch soweit das Auge reicht. Zart-süßer Duft mischt sich in die frische Morgenluft und die Amseln betören das Ohr mit ihrem Jubilieren. Die Natur ist erwacht und sprüht vor unbändiger Lebenskraft, die mitreißt und deren Schönheit tief anrührt.
Und gleichzeitig ist da eine unwiderlegbare Realität auf unserem Planeten Erde, dessen Lebendigkeit in bedrückender Weise bedroht ist: Wir leben in der Zeit einer der größten Artensterben in der Erdgeschichte, Frucht der kollektiven Lebens-Art der Spezies Mensch. Die Zahl der in rasanter Geschwindigkeit sterbenden Arten ist unermesslich.
Wenn wir zu Beginn des Zazen die großen Gelöbnisse sprechen, richten wir uns darauf aus, in Einheit mit allen Lebewesen zu leben, das bedeutet auch, in Einheit mit den aussterbenden Arten zu sterben. Ein alter Meister sagt: „Nur leben, nur sterben – inmitten von weder Leben noch Tod“.
Dieses Sterben braucht unseren ganzen Mut, genau hinzuschauen was ist und wahrzunehmen, wie wir unsere eigene Lebendigkeit einfrieren. Das Sterben verlangt das Wagnis, die vermeintliche Sicherheit von routinierter Kontrolle, von gewohntem Komfort und Konsum als betäubende Beengtheit zu entlarven und ihre destruktiven Wirkungen zu realisieren. Wir werden konfrontiert mit unserer Angst, mit Schmerz und Trauer. Jedoch nicht nur dies: wir können sie tief durchdringen und uns in radikaler Offenheit dem Nicht-Wissen überlassen.
So hineingefallen in das Nicht-Wissen gleichen wir einem Samenkorn in der Erde, das im Verborgenen stirbt, sich wandelt und kraftvoll-zart keimend erwacht in die pure schöpferische Lebendigkeit des gegenwärtigen Augenblicks.
Es ist die Stille, die in uns Tore öffnet für diese Quelle nie versiegenden, unauslotbaren Lebens, sprudelnder Kreativität und unwiderstehlicher, alles durchdringender Verbundenheit.
Ich wünsche Ihnen und Euch ein tief wurzelndes Vertrauen in das Nicht-Wissen und
ein frohes Osterfest
Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel
Dieser Beitrag wurde für den newsletter des Zenzentrum Offener Kreis Luzern Ostern 2024 erstellt. |
Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 28. März 2024

Es war gerade eben im September. Ich hatte eine Kontrolluntersuchung beim Kardiologen und war mir meines physischen Herzens dankbar bewusst. Selbst als Ärztin, der vieles vertraut ist, staune ich tief berührt über die rhythmischen Herzbewegungen im Ultraschallbild und die im EKG aufgezeichnete elektrische Aktivität. Dieses zentrale Organ in meiner Brust pocht und pocht und pocht schon so viele Jahre, ein Leben lang.
Weil wir leben, pulsiert unser Herz und weil unser Herz pulsiert, leben wir. Ursache und Wirkung sind eins.
Das physische Herz ist jedoch viel mehr als eine hochkomplexe Muskelpumpe. Es entfaltet seine psychische und spirituelle Wahrnehmungsfähigkeit dann, wenn wir unser Anhaften radikal lösen und loslassen, woran wir uns klammern. Wenn wir uns ganz dem Nicht-Wissen überlassen, können die intuitiven, kreativen, nicht-trennenden Qualitäten des Herzens im Zusammenspiel wirksam werden.
Etwas davon konnten wir intensiv erfahren in den Zeiten der Pandemie mit ihren Kontakteinschränkungen. Von Anna Gamma erhielten wir die Übung der Herzkontemplation, die wir zu Beginn des gemeinsamen Zazen live und online praktiziert haben: Ganz im Moment sein und sich bewusst machen, dass unsere Herzen miteinander kommunizieren und sich diese Herzens-Kommunikation innerhalb der ganzen Menschheit rund um den Planeten wie ein feines, starkes Netz voll Schönheit auszubreiten vermag. Diese subtile Erfahrung vertieft unsere Einsicht in die Einheit in aller Verschiedenheit. Und wenn wir anschließend unsere Namen hören und unsere Herzen bedingungslos füreinander öffnen, ohne Erwartungen, eröffnet sich uns im WIR der Verbundenheit die unbegrenzte Wirklichkeit, das EINE HERZ. Diese universale Essenz ist unbewegt und still und doch grenzenlos wirksam in jedem menschlichen Herzen und in der Vielheit der Dinge. Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel
Dieser Beitrag wurde im Newsletter Okt.23 des Zenzentrum Offener Kreis Luzern veröffentlicht.
Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 28. September 2023