Aktuelles

Buddhas Erwachen – 8.Dezember

Heute – am 8. Dezember – feiern die Zen-Buddhistische Tradition und viele Sanghas nach dem einwöchigen Rohatsu-Sesshin rund um den Globus das Fest des Erwachens von Siddhartha Gautama beim Aufgang des Morgensterns. Was er erfahren hat wird u.a. in folgende Worte gefasst:
„Wunder über Wunder, ihrem innersten Wesen nach sind alle Wesen Buddhas (Erleuchtete), begabt mit Weisheit und Vollkommenheit.
Da aber ihr Geist von verblendeter Unwissenheit verkehrt ist, können sie dessen nicht inne werden.“
Als Shakyamuni Buddha bekannt – der schweigende Weise aus dem Geschlecht der Shakyas – wurde er in seinem Leben nicht müde, den Samen des Erwachens in den Menschen zu wecken. Zen knüpft an diese ursprüngliche Erfahrung Buddhas an. Erwachen führt in die radikale Öffnung für den Augenblick und verankert uns kraftvoll im „Jetzt“.
Herzlich grüßt mit Gassho,
Gabriele Shinmyo

Kurse 1.Halbjahr 2025:
Das verborgene Licht“: Wir lassen uns inspirieren von der Weisheit unserer Zen Ahninnen durch die Jahrtausende bis zu den Frauen, die heute den Weg des Erwachens verkörpern.
Online-Angebot an 5 Abenden (12.02./12.03./09.04./04.06. von 19.00 – 20.30 Uhr) mit abschließendem Zazenkai im ZZOK Luzern (28.06. von 10.00-16.00 Uhr).
Anm.: www.zenzentrum-offenerkreis.ch    Leitung: Gabriele Shinmyo

Kientaler Hof, Kiental CH:    ZEN Sesshin 16.-21.02. 2025
ZEN Einführung 15.-16.02.2025 Anm.: www.kientalerhof.ch

Waldhof-Freiburg DE:    ZEN Sesshin 01.03.-05.03. 2025
ZEN Einführung 28.02.-01.03. 2025 Anm.: www.waldhof-freiburg.de

 

Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 8. Dezember 2024

Zähmen heißt, sich vertraut machen

In den ersten Herbsttagen durften wir uns an der Ostsee erholen und ich genoss die Spaziergänge am Übergang von rhythmischem Fließen des Meerwassers und weichem Sand des Festlands. An einem Abend trieb stürmischer Wind hohe Wellen mit weißen Gischtkronen an den Strand. Im Abendlicht glitten zwei Kitesurfer auf ihren Brettern über die Wellen im rasanten Tempo des mitreißenden Luftstroms in den prallgefüllten Gleitschirmen. Die ungestüme Kraft von Luft und Wasser, eingespannt zwischen Brett und Schirm, gezähmt durch das straff gehaltene Seil, erlaubte den geübten Surfern einen lustvoll wilden Tanz.

Spontan sehe ich vor meinem inneren Auge eine Zeichnung der Zehn Ochsenbilder, die auf den Bild- und Textzyklus aus dem 12 Jhdt. des chinesischen Zen-Meisters Kuoan Shiyuan zurückgehen und unvergleichbar den Weg der Selbstfindung im Zen, dem Erwachen aus der Illusion des Getrenntseins und seiner Verkörperung im Alltag illustrieren.
Im 4. Bild erscheint das Einfangen und Zähmen der wilden Kraft des Ochsen, der das eigentliche, tiefe Selbst symbolisiert. Seine enorme Zugkraft erlaubt dem Hirten, dem Menschen schlechthin, kein Zögern und Zaudern beim Halten und Lenken des straff gespannten Seils. Wie ist diese Kraft zu zähmen, was heißt zähmen und wer zähmt wen? Ich erinnere mich an den Fuchs, der dem kleinen Prinzen in der gleichnamigen Geschichte von Saint-Exupery auf diese Frage antwortet: „Zähmen heißt, sich vertraut machen“. Das geschieht nicht von heute auf morgen, nicht nebenher. Es geschieht allmählich, wenn ich zuverlässig und aufmerksam da bin, nicht nachlasse und achtsam verweile und mich bedingungslos einlasse auf eine tiefe Selbstbegegnung und ihre verwandelnde Kraft. So erlebe ich Zazen: In der Ausdauer und Treue zur Übung allmählich innig vertraut werden mit der Wesensnatur.

Seit 9 Jahren lädt das Zen Zentrum Offener Kreis ein, dieses Vertrautmachen in einem Raum konzentrierender Stille einzuüben. Und davor stand das Meditationszentrum im Romerohaus schon 9 Jahre dafür offen. Im kleinen Kreis haben wir diese zuverlässige und treue Offenheit für Menschen, die sich nach dem Erwachen sehnen, in einer schlichten Feier würdigen dürfen.
Großen Dank der Gründerin, Dir Anna Gamma und dem Gründer, Dir Gerhard Hüppi.

Gabriele Geiger-Stappel, sensei – Newsletter Okt.24 Zenzentrum Offener Kreis Luzern

 

Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 27. November 2024

Aktuell

Liebe Freunde und Freundinnen unseres Zendos, liebe Mitmeditierende!

Gabriele und Bernhard – wir beide sind vom 8.-22. September 2024 in den ersehnten Erholungsurlaub gefahren. Die Abendmeditationen während dieser zwei Wochen müssen leider ausfallen. Wir beginnen wieder am Dienstag, 24.9.24 wie gewohnt um 18.30 Uhr
und freuen uns auf Euer Kommen.

Gabriele und Bernhard

 

„Nur leben, nur sterben – inmitten von weder Leben noch Tod“

Manchmal walke ich morgens durch den nahe gelegenen Park. Die Spazierwege sind kleine Alleen, gesäumt von Bäumen der Zierkirsche und gerade verzaubert von einem weiß-rosa Blütenrausch soweit das Auge reicht. Zart-süßer Duft mischt sich in die frische Morgenluft und die Amseln betören das Ohr mit ihrem Jubilieren. Die Natur ist erwacht und sprüht vor unbändiger Lebenskraft, die mitreißt und deren Schönheit tief anrührt.
Und gleichzeitig ist da eine unwiderlegbare Realität auf unserem Planeten Erde, dessen Lebendigkeit in bedrückender Weise bedroht ist: Wir leben in der Zeit einer der größten Artensterben in der Erdgeschichte, Frucht der kollektiven Lebens-Art der Spezies Mensch. Die Zahl der in rasanter Geschwindigkeit sterbenden Arten ist unermesslich.
Wenn wir zu Beginn des Zazen die großen Gelöbnisse sprechen, richten wir uns darauf aus, in Einheit mit allen Lebewesen zu leben, das bedeutet auch, in Einheit mit den aussterbenden Arten zu sterben. Ein alter Meister sagt: „Nur leben, nur sterben – inmitten von weder Leben noch Tod“.
Dieses Sterben braucht unseren ganzen Mut, genau hinzuschauen was ist und wahrzunehmen, wie wir unsere eigene Lebendigkeit einfrieren. Das Sterben verlangt das Wagnis, die vermeintliche Sicherheit von routinierter Kontrolle, von gewohntem Komfort und Konsum als betäubende Beengtheit zu entlarven und ihre destruktiven Wirkungen zu realisieren. Wir werden konfrontiert mit unserer Angst, mit Schmerz und Trauer. Jedoch nicht nur dies: wir können sie tief durchdringen und uns in radikaler Offenheit dem Nicht-Wissen überlassen.
So hineingefallen in das Nicht-Wissen gleichen wir einem Samenkorn in der Erde, das im Verborgenen stirbt, sich wandelt und kraftvoll-zart keimend erwacht in die pure schöpferische Lebendigkeit des gegenwärtigen Augenblicks.
Es ist die Stille, die in uns Tore öffnet für diese Quelle nie versiegenden, unauslotbaren Lebens, sprudelnder Kreativität und unwiderstehlicher, alles durchdringender Verbundenheit.

Ich wünsche Ihnen und Euch ein tief wurzelndes Vertrauen in das Nicht-Wissen und
ein frohes Osterfest
Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel

Dieser Beitrag wurde für den newsletter des Zenzentrum Offener Kreis Luzern Ostern 2024 erstellt.

Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 28. März 2024

DAS EINE HERZ

Es war gerade eben im September. Ich hatte eine Kontrolluntersuchung beim Kardiologen und war mir meines physischen Herzens dankbar bewusst. Selbst als Ärztin, der vieles vertraut ist, staune ich tief berührt über die rhythmischen Herzbewegungen im Ultraschallbild und die im EKG aufgezeichnete elektrische Aktivität. Dieses zentrale Organ in meiner Brust pocht und pocht und pocht schon so viele Jahre, ein Leben lang.
Weil wir leben, pulsiert unser Herz und weil unser Herz pulsiert, leben wir. Ursache und Wirkung sind eins.
Das physische Herz ist jedoch viel mehr als eine hochkomplexe Muskelpumpe. Es entfaltet seine psychische und spirituelle Wahrnehmungsfähigkeit dann, wenn wir unser Anhaften radikal lösen und loslassen, woran wir uns klammern. Wenn wir uns ganz dem Nicht-Wissen überlassen, können die intuitiven, kreativen, nicht-trennenden Qualitäten des Herzens im Zusammenspiel wirksam werden.

Etwas davon konnten wir intensiv erfahren in den Zeiten der Pandemie mit ihren Kontakteinschränkungen. Von Anna Gamma erhielten wir die Übung der Herzkontemplation, die wir zu Beginn des gemeinsamen Zazen live und online praktiziert haben: Ganz im Moment sein und sich bewusst machen, dass unsere Herzen miteinander kommunizieren und sich diese Herzens-Kommunikation innerhalb der ganzen Menschheit rund um den Planeten wie ein feines, starkes Netz voll Schönheit auszubreiten vermag. Diese subtile Erfahrung vertieft unsere Einsicht in die Einheit in aller Verschiedenheit. Und wenn wir anschließend unsere Namen hören und unsere Herzen bedingungslos füreinander öffnen, ohne Erwartungen, eröffnet sich uns im WIR der Verbundenheit die unbegrenzte Wirklichkeit, das EINE HERZ. Diese universale Essenz ist unbewegt und still und doch grenzenlos wirksam in jedem menschlichen Herzen und in der Vielheit der Dinge.                                                                 Gabriele Shinmyo Geiger-Stappel

Dieser Beitrag wurde im Newsletter Okt.23 des Zenzentrum Offener Kreis Luzern veröffentlicht.

Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 28. September 2023

Sich verneigen und dem Leben dienen

Eine junge Frau, die einige Tage „zum Schnuppern“ in einem Zen Kloster verbrachte, erzählte mir: „Man muss sich so oft verbeugen, vor lauter Verbeugen kommt man gar nicht mehr zum Wesentlichen“. Ich musste spontan lachen und überrascht lachte sie mit. Ja – wie kommt man denn zum Wesentlichen? Wo ist es denn, das Wesentliche? Um es vorweg zu nehmen: Still und wortlos ruht es im Wesen der zehntausend Dinge. Es ist nicht zu suchen und nicht zu finden und doch unbegrenzt wirksam und verkörpert in dir, in mir und in jeder Verneigung.

Wir westlich geprägte Menschen, ausgerichtet auf Selbstbestimmung und Individualität, verbinden das Wort „verbeugen“ in unserer Vorstellung mit „verbiegen“, sich klein machen und unterordnen. Und es ist auch nicht ganz unberechtigt, gab und gibt es doch in der Tat dieses autoritär und totalitär missbrauchte Beugen. Verbeugen im Sinne von Verneigen jedoch meint etwas anderes. Es ist ein würdevolles Zuneigen, der Ausdruck einer Demut, die nicht klein macht, sondern einer Selbstbewusstheit entspringt, die nicht im Ego verhaftet ist. Diese Demut strahlt stille Freude und Würde aus und verkörpert dabei Wertschätzung und Würdigung. So verneigen wir uns im Zen, wenn wir das Zendo betreten, vor dem Altar, vor unserem Platz, vor und gemeinsam mit der Sangha. Körper und Geist sind gesammelt in der Zuneigung zum „Wesen“ des Menschen, der uns gegenüber steht, zum Wesen der Dinge und dem Wesen allen Seins. Dann mag es geschehen, dass das „grenzenlos Wesentliche“ als Erfahrung aufleuchtet und sich hineinschenkt in das sich wieder Aufrichten und aufrecht in sich Stehen. In der wiederholten, achtsamen Praxis der Verneigung weitet sich unser Zugang zu dieser wesenhaften Erfahrung. So gestärkt kann aus der Allverbundenheit und inneren Freiheit der Mut wachsen, alle Gleichgültigkeit hinter sich zu lassen und mit ganzer Hingabe in jedem Moment dem Leben zu dienen.

Ich verneige mich mit Freude und Gassho vor Euch / vor Ihnen
Gabriele Shinmyo, Sensei
(dieser Beitrag wurde im NL des Zenzentrums Offener Kreis Luzern Mai 23 veröffentlicht.)

Veröffentlicht von Gabriele Geiger-Stappel am 2. Mai 2023