September 2020: Die Kraft der Stille trägt wie ein Netz.
Den ganzen Sommer über haben wir coronabedingt am Dienstag und Donnerstag in zwei Phasen meditiert, sowohl in unserem Zendo Offener Kreis und gleichzeitig online von Zuhause zugeschaltet. Das ist eine neue Erfahrung,
die uns dankbar macht: wir konnten als Gruppe („Sangha“) uns gegenseitig sehen und verbinden. Immer war eine spontane Freude damit verbunden, lachend und zuwinkend.
Wir haben begonnen, das Netz unserer Herzensverbindung zu kultivieren und unsere Herzen zu öffnen, andere Menschen einzuladen, die ganze Menschheit in Offenheit einzubinden rund um unseren blauen Planeten.
In dieser Zeit der Unsicherheit und Krise braucht es Menschen, die still werden, wartend und hörend, um zu erfahren, das etwas in uns selbst hörend wartet und uns den nächsten Schritt weist, auch uns miteinander.
Indras Netz „Indra, ein König im Alten Indien, hielt sich für sehr wichtig. Eines Tages teilte er dem königlichen Architekten mit, er wolle ein Monument zum Angedenken an sich errichten lassen, etwas, das alle Menschen schätzen würden.
Daraufhin schuf der Architekt des Königs ein riesengroßes Netz, das Raum und Zeit überspannte. Und der Schatzmeister des Königs setzte auf jeden Knotenpunkt des Netzes eine glänzende Perle.
Jede dieser Perlen spiegelte sich in jeder anderen Perle. Jede einzelne Perle – und das bedeutet: jeder Mensch, jedes Ereignis – enthielt das gesamte Netz Indras, einschließlich des gesamten Raums und der gesamten Zeit.
Wenn wir uns vorstellen, dass wir alle leuchtende Perlen in Indras Netz sind, wird uns klar, dass jede/r von uns das gesamte Universum in sich enthält. Da wir durch Indras Netz ohnehin miteinander verbunden sind, sind unsere Möglichkeiten in unserem Leben und in unserer Arbeit zu anderen Menschen in Beziehung zu treten, unbegrenzt.“
B.Glassman, Anweisungen für einen Koch, Hoffmann und Campe, 1997, S.191
„Auf der Suche nach dem Besten müssen wir uns von der Natur leiten lassen. Und die Natur besteht aus Netzwerken: Die Natur ist ein Netzwerk von einer Komplexität, von einer Feinheit, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können. Je mehr wir darüber erfahren, umso mehr staunen wir. Und so müssen wir die Machtpyramide ersetzen durch ein Netzwerk von Netzwerken. Das ist unsere Aufgabe.“ Br. David Steindl-Rast
Aus aktuellem Anlass sind alle Veranstaltungen bis zum 04. Mai 2020 abgesagt. In diesen Zeiten erscheint auf dieser Seite wöchentlich ein „Zeiten-Gruß“:
29. April 2020
Was für ein herrlicher Frühling – das Herz fließt über vor Staunen und Dankbarkeit. Und heute sind sogar einige Regentropfen zu Besuch, gerne dürfen sie kommen, die Natur lächzt danach.
Wir dürfen den Mai begrüßen. In unserer christlichen Tradition ist es auch der Monat Mariens, die in Andachten verehrt und besungen wird. Mit ihrem weiten, himmelblauen, sternenbesetzten Mantel umfängt sie mütterlich die Menschen, die in Angst, Not und Gefahr zu ihr kommen. Als kosmische Mutter umhüllt sie die ganze Menschheit, die Erde und das Universum. Was für ein tröstliches Bild.
In der Zen-buddhistischen Tradition ist es Kanzeon, die Bodhisattva des grenzenlosen Mitgefühls; ein Bodhisattva ist ein erwachtes Wesen, das die Schreie der Welt hört und gelobt, Leid und Schmerz nicht zu verlassen, bis es getröstet und geheilt ist. Kanzeon wird oft mit vielen Armen und Händen dargestellt und in jeder Handfläche befindet sich ein Auge. Anna Gamma Roshi1, meine Zen-Lehrerin, schreibt dazu, dass ihr selbst während einer Meditation über dieses Kennzeichen buchstäblich die Augen aufgegangen sind. „Menschen und Wesen, die leiden, möchten nicht nur gehört, sondern in ihrem Schmerz auch gesehen werden.“
Maria und Kanzeon haben eine innere Verwandtschaft, sie zeigt sich insbesondere in der Kanzeon-Maria-Figur auf dem Grabmal von Zen-Meister Yamada Roshi, der sein Zendo für Christen öffnete und sie in die Erfahrung führte. Kanzeon umfängt dort mit ihren Händen zärtlich die Erde.Verbinden wir uns im Herzen mit dieser grenzenlosen Quelle der Weisheit von mütterlicher Liebe und Mitgefühl. Schauen wir hin, wo Leid, Angst und Schmerz sind. Vertrauen wir uns in unserer Begrenztheit immer wieder neu dieser Quelle an, die uns aus der Stille heraus inspiriert. Dankbar für unsere Verbundenheit grüße ich euch, auch von Bernhard, in den Mai, Gabriele
1Anna Gamma, Schön, wild und weise, Theseus 2015, S.156
Sonntag, 19. April 2020
Anfang April schrieb der Benediktiner-Bruder David Steindl-Rast, die Pandemie sei „eine einmalige Gelegenheit, anzuhalten, uns nach innen zu wenden und still zu sein – zu schweigen.“
Er ruft dazu auf, „uns wehrlos der Stille auszusetzten – jeden Tag etwas länger, bis sie uns unter die Haut geht und bis ins Herz“. Dieses „sich wehrlos der Stille aussetzen“ lässt mich nicht mehr los. Mich wehrlos der Stille aussetzten!? Es erscheint mir erschreckend radikal und doch so wahr.
Dieses Wort WEHRLOS erzeugt einen Widerhall in mir, wie der Klang eines Gongschlages.
DA bin ich, im Schweigen, in der Stille. Sie ist der Boden für das Wort, für die stimmigen Antworten, die das Leben von uns fordert.
Wir erleben es in diesen Tagen, wo Nicht-Wissen und notwendige Neuausrichtung uns so herausfordern; wo wir aufwachen, schmerzhaft, zu neuer Wahrnehmung der Solidarität, des Gemeinsinns, der erdumspannenden Zusammengehörigkeit bei gleichzeitig verordneter social distance. Die so komplexe und dem Verstand letztlich undurchschaubare Situation verlangt Antworten und Handlungen, und zwar jetzt und ohne Zaudern. Was ist das Klima, der Rahmen, die Leitplanke für diese Antworten? Woher kommt das Wissen und die Weisheit?
Ich beneide die offiziellen Entscheidungsträger, die Verantwortlichen in unsere Gesellschaft und auf der Weltebene nicht um ihren Dienst. Nehmen wir sie mit liebendem Herzen und ohne Vorbehalt wehrlos hinein in den grenzenlosen Raum der Stille, aus dem rechtes Wissen und Weisheit zur Richtschnur wird für das stimmige Handeln im Netz des Lebens, in dem wir leben, weben und sind.
Wieder laden wir ein zur gemeinsamen Meditation, um mit vielen anderen meditierenden Gruppen ein Netz zu bilden über unseren Globus für die Heilung der Menschheit und Erde.
Täglich morgens 7.00 – 8.00 Uhr, abends 18.30 -19.30 Uhr
Di u. Do. 18.30 Uhr besteht die Möglichkeit, online mit Zoom gemeinsam zu meditieren und auszutauschen.
Frohe Ostern 2020
11.April, Karsamstag:
Grabesruhe Totenstille
Segnen wir das Abgestorbene in unserem Herzen und das Tote in unserer Welt, um es wieder ins Leben zu rufen. Wenn das Leben in abgestorbene Glieder zurückkehrt, schmerzt es, wenn Gefrorenes auftaut, brennt es, wenn die Liebe erwacht, sind wir verletzlich. Doch Freude und Glück erfahren wir tiefer. Das Leben gewinnt an Fülle und Intensität. (in Resonanz mit MC Eggers)
07. April 2020 Die Karwoche hat begonnen. Wir, Bernhard und Gabriele, sind mit einer Gruppe zu kontemplativen Tagen online unterwegs. Wir meditieren zu Hause zu gemeinsamen Tageszeiten und sind achtsam in den Alltagsverrichtungen, beim Gehen im Freien und in den uns bleibenden menschlichen Kontakten. Täglich gibt es einen thematischen Email-Impuls. Der folgende Text von Thich Nhat Hanh inspirierte uns sehr. Er lädt ein, das Leben achtsam zu bedenken:
Betrachtungen
Einatmend weiß ich, dass ich einatme.
Ausatmend weiß ich, dass ich ausatme.
Einatmend weiß ich, dass ich alt werde.
Ausatmend weiß ich, dass ich dem Alter nicht entkomme.
Einatmend weiß ich, dass ich krank werde.
Ausatmend weiß ich, dass ich Krankheiten nicht entkomme.
Einatmend weiß ich, dass ich sterben muß.
Ausatmend weiß ich, dass ich dem Tod nicht entkomme.
Einatmend weiß ich, dass ich eines Tages alles aufgeben muß, was mit lieb und teuer ist.
Ausatmend weiß ich, dass ich dem Aufgeben aller Dinge, die mir lieb und teuer sind,
nicht entkomme.
Einatmend weiß ich, dass meine Handlungen mein einziges Eigentum sind.
Ausatmend weiß ich, dass ich den Folgen meiner Handlungen nicht entkomme.
Einatmend bin ich entschlossen, meine Tage in tiefer Achtsamkeit zu leben.
Ausatmend sehe ich die Freude und den Frieden eines achtsamen Lebens.
Einatmend weiß ich, dass ich einatme.
Ausatmend weiß ich, dass ich ausatme.
Wieder laden wir ein zur gemeinsamen Meditation, um mit vielen anderen meditierenden Gruppen ein Netz bilden über unseren Globus für die Heilung der Menschheit und Erde. Di u. Do. 18.30 Uhr
31.März 2020 Noch ist es nicht soweit, dass wir wieder in unserem Zendo Offener Kreis in Stille die Kraft der gemeinsamen Meditation spüren dürfen. Doch, ist diese Kraft an einen Ort gebunden? Immer wieder geschieht es mir, dass ich Euch in diesem Raum spüre und auch andere Menschen. Ich lade sie ein, mit uns zu sitzen. Da sind die in diesen Tagen von Krankheit Belasteten, von Angst um ihre Existenz Geplagten, von Erschöpfung Gezeichneten, die vielen Kinder ohne Schutz. Es sind auch die Mutigen und Tatkräftigen da, und die, die Entscheidungen treffen müssen – alle haben in der grenzenlosen Weite der Stille Platz, die Stille gibt allen ihre Würde und einen tiefen Frieden.
Ich habe begonnen, am Ende der Meditaton vor die Maria zu treten und das Lied aus meiner Kindheit zu beten: „Maria breit den Mantel aus, mach Schirm und Schild für uns daraus, lass uns darunter sicher stehn, bis alle Stürm vorüber gehen, Patronin voller Güte, uns alle Zeit behüte.“ Vielleicht mag für manche dieser Text und dieses Ritual befremdlich sein. Mich verbindet es mit den Generationen vor mir, die in Bedrängnis so gebetet haben. Ich verbinde mich so mit ihrer Weisheit und Erfahrung. Die Menschheit braucht die gütige Zuwendung und schützende, helfende Hände. Im Buddhismus ist es Kanzeon, die diese Qualität verkörpert.Wir können uns ausrichten auf diese Qualität der selbstlosen Hilfe, die wir bereit sind zu geben, des schützenden Netzes, das wir bilden und vielleicht auch imaginieren, und einer liebevollen und behütenden Präsenz jetzt in diesen unruhigen Tagen.
Es gibt einen buddhistischen Vers, den ich besonders liebe: „Pflaumenblüten am Baum duften im Einklang mit dem Schnee“. Schneebedeckten Blütenzweige wecken in uns das Bild von etwas Störendem, Unzeitgemäßem, Frostigen. Doch die Blüten lehren uns etwas, sie duften weithin und nehmen den schweren kalten Schnee an und machen ihn zu Schmuck. Das gilt auch für uns Menschen, oft machen uns schwierige Situationen seelisch reich und stark.
Wieder lade ich ein zur gemeinsamen Meditation, bei der wir mit vielen anderen meditierenden Gruppen ein Netz bilden über unseren Globus für die Heilung der Menschheit und Erde: morgens 7.00 – 8.00 Uhr und abends 18.30 – 19.30 Uhr
24. März 2020 Wieder ist es Dienstag, das abendliche Frühlingslicht gibt der Natur eine besondere Klarheit und Tiefe. Gerade habe ich (G.) das Requiem für Willigis Jäger in Münsterschwarzach mitvollziehen dürfen (youtube). Er war tief verwurzelt im Zen (Bild: Im Garten Zendo Kamakura) und in der christlichen Mystik. In seinem Abschiedsbrief schreibt Willigis: Ich danke, dass ich da sein durfte, in diesem Körper, zu dieser Zeit, an diesem Ort, für die Zeit meines Lebens, für alle Erfahrungen und Begegnungen, für die Erkenntnis meiner selbst, für alle, die den Weg mit mir gingen und für alle, die es schwer hatten mit mir. Und ich danke allen, mit denen ich mich in Liebe verbunden weiß. Der Urgrund, dem wir den Namen Gott gegeben haben, eint uns und alle Formern in LIEBE.
Es berührt mich sehr und ich lade euch ein, jede und jeder für sich, in diesen Dank einzustimmen: „Ich danke, dass ich da sein darf, in diesem Körper, zu dieser Zeit, an diesem Ort….“ Gehen wir tief hinein in das abschließende Bekenntnis von Willigis zu seiner Erfahrung: Der Urgrund, dem wir den Namen Gott gegeben haben, eint uns und alle Formen in Liebe.
Die Verwiesenheit und Ungetrenntheit führt uns das kleine Coronavirus so absolut vor Augen. Das Hineingehen in die Stille führt uns in dieses grenzenlose und bedingungslose Geeintsein in LIEBE.
Möge diese Erfahrung uns in der momentanen Zeit tragen und inspirieren zu dem, was jetzt „notwendig“ ist. Wieder laden wir ein zur gemeinsamen Meditation, bei der wir mit vielen anderen Gruppen ein Netz bilden über unseren Globus für die Heilung der Menschheit und Erde.
morgens 7.00 – 8.00 Uhr und abends 18.30 – 19.30 Uhr
17. März 2020 Wir leben in speziellen Zeiten und die Corona-Pandemie bestimmt das Leben der Menschen global und lokal. Die Chance dieser Krise liegt im Anwachsen unseres Bewusstseins für die EINE WIRKLICHKEIT. Das tiefe innere Wissen um die Einheit allen Lebens und die Verbundenheit mit Erde und Kosmos will aus der grenzenlosen inneren Mitte heraus in ein unwillkürliches solidarisches Handeln einfließen. Dabei hilft uns die Übung auf dem Weg der Stille, wo wir uns hineinnehmen lassen in diese Mitte und in ihr aufgehoben sind.
Wir, Bernhard und Gabriele, werden zu den gewohnten Zeiten im Zendo Offener Kreis meditieren und laden ein, sich mit uns von zu Hause aus zu verbinden. So bilden wir ein Kraftfeld der Stille, das über uns hinaus wirkt. Nehmen wir auch die Menschen in den Lagern auf Lesbos und in anderen Weltregionen hinein, die keine ausreichende gesundheitliche Versorgung haben.